K7: Stillen HIV-positiver Mütter: Selbstbestimmung oder medizinische Fremdbestimmung?
15.30 bis 16.30 Uhr
In der Debatte über das Stillen HIV-positiver Mütter stehen sich zwei Lager gegenüber: Die einen plädieren für das Stillen unter enger medizinischer Begleitung mit regelmäßigen Untersuchungen betonend, dass die Vorteile für die Entwicklung des Kindes die möglichen Risiken überwiegen. Befürworter*innen argumentieren vehement für eine differenzierte Betrachtung: Bei konsequenter Einhaltung der Therapie und einer unterdrückten Viruslast sei das Übertragungsrisiko minimal und das Stillen könne eine gesunde Entwicklung des Kindes unterstützen und betonen die gesundheitlichen Vorteile, die Muttermilch bietet. Dem gegenüber sehen Gegner*innen das potenzielle Risiko einer HIV-Übertragung als zu gravierend an, selbst unter antiretroviraler Therapie. Sie fordern eine vorsichtige Herangehensweise und befürworten ausschließlich Säuglingsnahrung, um das Kind vor einer möglichen Infektion zu schützen.
Diese Diskussion soll deutlich machen, wie medizinische Fachrichtungen unterschiedliche Schwerpunkte und Perspektiven haben, die von individuellen Erfahrungen und ethischen Überlegungen geprägt sind. Letztlich bleibt die Entscheidung, ob HIV-positive Mütter ihre Kinder stillen sollten, eine komplexe und individuelle Abwägung, die alle relevanten Faktoren berücksichtigen soll aber vor allem eins: die Selbstbestimmung von Frauen.
Position 1: Dr. Lila Haberl | Uniklinik Düsseldorf
In Deutschland und vielen anderen Teilen der Welt gibt es klare Richtlinien für das Stillen von HIV-positiven Müttern, die sorgfältig abgewogen werden müssen. Hier sind einige wissenschaftlich untermauerte Gründe, die dafür sprechen könnten, dass HIV-positive Mütter ihr Kind stillen: Studien haben gezeigt, dass Muttermilch viele Bestandteile enthält, die das Immunsystem des Babys stärken und es vor anderen Infektionen schützen können. Gestillte Babys haben ein geringeres Risiko für Atemwegsinfektionen, Magen-Darm-Infektionen, für chronische Krankheiten wie Diabetes und Fettleibigkeit. Bei HIV-positiven Müttern, die eine antiretrovirale Therapie (ART) erhalten und deren Viruslast im Blut unterdrückt ist, kann das Risiko einer HIV-Übertragung durch das Stillen signifikant reduziert werden. Die DGGG hat Richtlinien zur Betreuung von HIV-positiven Frauen während der Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit veröffentlicht. Diese Richtlinien betonen die Bedeutung der antiretroviralen Therapie (ART) während der Schwangerschaft und des Stillens sowie die regelmäßige Überwachung der HIV-Infektion der Mutter und des Kindes. Die DGGG empfiehlt, dass HIV-positive Mütter unter bestimmten Bedingungen ihr Kind stillen kann, wenn eine antiretrovirale Therapie durchgeführt wird und die Viruslast im Blut der Mutter unterdrückt ist.
Position 2: Clemens Andrée | Helios Klinikum Krefeld (angefragt)
Es gibt mehrere wissenschaftlich untermauerte Gründe, die gegen das Stillen von Säuglingen sprechen, wenn die Mutter HIV-positiv ist: HIV kann über die Muttermilch von einer HIV-positiven Mutter auf das Baby übertragen werden. Studien haben gezeigt, dass das Stillen das Risiko einer HIV-Übertragung von der Mutter auf das Kind signifikant erhöht, insbesondere in Regionen mit hoher HIV-Prävalenz. In Ländern mit einer sicheren und zuverlässigen Versorgung mit Säuglingsnahrung und sauberem Trinkwasser wird das Stillen von HIV-positiven Müttern oft nicht empfohlen, da sichere Alternativen zur Verfügung stehen, die das Risiko einer HIV-Übertragung auf das Baby minimieren. Obwohl Muttermilch viele Schutzfaktoren enthält, die vor anderen Infektionen schützen können, kann sie gleichzeitig das Risiko einer HIV-Übertragung erhöhen. Das Risiko, durch das Stillen mit HIV infiziert zu werden, überwiegt oft die potenziellen Vorteile des Stillens.
Co-Chair
Jule Frielingsdorf | Aidshilfe Paderborn