Zu Beginn der Fachtagung begrüßten Prof. Dr. Norbert Brockmeyer und Klaus-Peter Hackbarth im Namen des Kompetenznetz AIDS und der Deutschen AIDS-Gesellschaft bzw. der AIDS-Hilfe NRW die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Auch die Oberbürgermeisterin von Bochum, Ottilie Scholz, und der AIDS-Koordinator im Gesundheitsministerium von NRW, Dirk Lesser, richteten ein Grußwort an die Anwesenden.
Grußwort von Ministerialrat Dirk Lesser im Ministerium für Arbeit,
Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, aus Anlass der
Tagung HIV-KONTROVERS am 11. Oktober 2008 in Bochum. Es gilt das
gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrter Herr Prof. Brockmeyer,
sehr geehrter Herr Hackbart,
meine Damen und Herren,
ich freue mich, Sie anlässlich der gemeinsamen Fachtagung der
AIDS-Hilfe NRW, der Deutschen AIDS-Gesellschaft sowie des
Kompetenznetzes HIV/AIDS hier in Bochum begrüßen zu können und
übermittle Ihnen auch die besten Grüße von Herrn Minister Laumann.
Ich bin der Einladung zu dieser Tagung gerne gefolgt. Sie ist für mich
ein willkommener Anlass, den zahlreichen Partnern aus den verschiedenen
Bereichen für ihr großes Engagement in der Aidsprävention und in der
kontinuierlichen Unterstützung und Betreuung von Menschen mit HIV und
Aids zu danken. Ohne ihre aktive Mitwirkung wären die Erfolge der
Aidspolitik in unserem Lande nicht möglich gewesen.
Ich muss gestehen, dass mich der Titel der heutigen Veranstaltung
zunächst etwas irritiert hat. Der Begriff HIV-KONTROVERS hat bei mir
Erinnerungen an die Anfänge in der Aidsbekämpfung wach gerufen - an
eine Zeit also - in der in einem schwierigen und sehr emotional
geführten Meinungsbildungsprozess um die richtige Strategie zur
Eindämmung von Aids gerungen worden ist. Diese Kontroversen sind
glücklicherweise überwunden und es besteht sowohl national als auch
international ein breiter Konsens in der Aidspolitik.
Dass sich Aids bei uns nicht in dem anfangs prognostizierten Ausmaß
ausgebreitet hat, beruht entscheidend auch auf diesem Konsens. Er ist
Grundlage unserer gemeinsamen zielgerichteten und nachhaltigen Arbeit
in diesem wichtigen Feld. Allerdings wissen wir auch, dass wir uns auf
diesen Erfolgen nicht ausruhen dürfen. Aids ist und bleibt eine
gewaltige Herausforderung, der wir uns alle stellen müssen. Nicht nur
die Entwicklungen im Aidsbereich selbst, sondern auch die Veränderungen
in unserem gesamten Gesundheits- und Sozialwesen erfordern, dass wir
unsere Präventions- und Hilfeangebote ständig daraufhin überprüfen, ob
sie noch den aktuellen Anforderungen genügen und welche Anpassungen
gegebenenfalls vorgenommen werden müssen.
Schon aus diesem Grunde halte ich die mit der heutigen Fachtagung
initiierte Diskussion, an der sich Experten aus Wissenschaft und Praxis
sowie die Betroffenen selbst gleichermaßen beteiligen, für besonders
wichtig. Dass es hierbei auch zu kontroversen Auffassungen kommen kann,
verwundert nicht. Die unterschiedliche Interessenlage und
Meinungsvielfalt der handelnden Personen prägt auch die permanenten
Diskussionen über den richtigen Weg bei der notwendigen Neuausrichtung
unserer gesundheitlichen und sozialen Sicherungssysteme und lässt zum
Teil befürchten, dass das Anliegen der betroffenen Menschen aus dem
Blick gerät. Dieser Diskussionsprozess macht jedoch zugleich auch
deutlich, wie wichtig es ist, Entwicklungspotentiale aufzuzeigen und
auf konsensfähige Problemlösungen hinzuwirken.
In der heutigen Veranstaltung HIV-KONTROVERS sehe ich ein
geeignetes Forum, um zu konstruktiven Lösungsansätzen zu kommen, die
in der Praxis umgesetzt werden können. Gleichzeitig kann die Tagung mit
dazu beitragen, den gegenseitigen Erfahrungsaustausch zu fördern und
die sektorenübergreifende Vernetzung der Hilfeangebote zu verbessern
und zu stärken. Unser vorrangiges Ziel muss es auch weiterhin sein,
HIV-Neuinfektionen zu verhindern und eine an den Bedürfnissen der
HIV-Infizierten und Aidskranken ausgerichtete bestmögliche Beratung und
Betreuung zu gewährleisten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist allerdings
das enge Zusammenwirken aller Beteiligten unverzichtbar. Ein wie auch
immer geartetes Konkurrenzdenken ist hier nicht zielführend.
In unserem Land konnte auf der Grundlage einer von allen Beteiligten
gemeinsam getragenen Strategie zur Eindämmung von Aids eine Beratungs-
und Hilfestruktur aufgebaut werden, die nach wie vor auch bundesweit
Vorbildcharakter hat. Die Aidsprävention in Nordrhein-Westfalen ist
zugleich ein gelungenes Beispiel für ein erfolgreiches Zusammenwirken
von staatlichen und nicht staatlichen Stellen. Diese Strategie bleibt
auch weiterhin Leitschnur der Aidspolitik der Landesregierung. Sie wird
durch die Kommunalisierung der Landesförderung nicht in Frage gestellt.
Ich weiß, dass unser neues Förderkonzept von den Verantwortlichen
der Aidshilfen sehr kritisch gesehen wird. Ich möchte hier noch einmal
betonen, dass mit der Kommunalisierung der Landesförderung vorrangig
die Eigenverantwortung und Planungskompetenz der Kommunen gestärkt
werden soll, damit die Präventions- und Hilfeangebote noch besser an
den örtlichen Gegebenheiten ausgerichtet werden können. Die Kommunen
können zudem auf veränderte Problemlagen zeitnah und flexibel
reagieren. Ich gehe davon aus, dass bei der Entscheidungsfindung vor
Ort alle im Aidsbereich tätigen Institutionen und Einrichtungen
beteiligt werden. Hierdurch erhöht sich die Chance, dass es auch
zukünftig landesweit eine tragfähige zielgruppengerechte Präventions-
und Hilfestruktur geben wird.
Das Land wird sich auch in Zukunft seiner besonderen Verantwortung in
der Bekämpfung von Aids stellen und den notwendigen
Weiterentwicklungsprozess nachhaltig unterstützen. Hierbei ist mir der
kontinuierliche Dialog mit allen Beteiligten sehr wichtig. Ich zähle
auf ihre Bereitschaft, an dieser bedeutsamen Aufgabe aktiv
mitzuwirken.
Grußwort von Klaus-Peter Hackbarth, Landesvorsitzender der AIDS-Hilfe
NRW, aus Anlass der Tagung HIV-KONTROVERS am 11. Oktober 2008 in
Bochum. Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Scholz,
sehr geehrter Herr Prof. Brockmeyer,
meine Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
ganz herzlich möchte auch ich Sie seitens der AIDS-Hilfe NRW zu dieser
Fachtagung begrüßen. Ich danke der Deutschen Aids-Gesellschaft und dem
Kompetenznetz HIV/AIDS und damit Ihnen, Herr Prof. Brockmeyer und ihrem
Team, für die Zusammenarbeit. Ich freue mich, dass unsere gemeinsame
Idee heute konkrete Gestalt annimmt, den fachlichen Dialog über
kontroverse Themen rund um HIV und Aids aus der Perspektive der Medizin
und der Selbsthilfe, der Politik und der Aidshilfe auf Augenhöhe zu
führen. Dies war und ist ja keinesfalls selbstverständlich.
Immerhin hat sich seit dem 7. Deutschen AIDS-Kongress 1999 in Essen das
sogenannte "Essener Prinzip" durchgesetzt, die Inhalte der Kongresse
und Großveranstaltungen nicht nur von den sogenannten Fachleuten
entwickeln zu lassen, sondern dabei auch die Vertreterinnen und
Vertreter der Community aus der Aidshilfe und der Selbsthilfe zu
beteiligen. Unsere heutige Veranstaltung geht noch einen Schritt
weiter. Unter dem Leitsatz "Den Dialog ermöglichen - den Mut haben, ihn
zu führen" haben wir das Programm mit den verschieden Kontroversen auf
Augenhöhe entwickelt und freuen uns nun auf eine interessante Tagung
mit spannenden und kontroversen Diskussionen.
Dass dies heute hier so vonstatten gehen kann, verdanken wir durchaus
unter anderem auch der erfolgreichen Arbeit unserer
Landesarbeitsgemeinschaft "POSITHIV HANDELN ". Hier treffen sich seit
10 Jahren Menschen mit HIV und Aids aus NRW regelmäßig zum
Erfahrungsaustausch und nehmen die landesweite Interessenvertretung von
Menschen mit HIV und Aids wahr. Die LAG treibt die Diskussion und
Entwicklung politischer Forderungen voran und ist dabei hervorragend
mit anderen Gruppen und Organisationen in NRW vernetzt. Ich weiß, dass
heute zahlreiche Mitglieder der LAG "POSITHIV HANDELN NRW" unter uns
sind. Ich möchte Euch alle besonders begrüßen und Euch allen zu 10
Jahren "POSITHIV HANDELN NRW" herzlich gratulieren!
Die seit längerem zu verzeichnende wachsende Zahl der Neudiagnosen in
Deutschland, die Tatsache, dass in Deutschland noch nie so viele
Menschen mit HIV lebten wie heute, stellt uns alle vor große
Herausforderungen. Der Kontakt, das Gespräch und die Zusammenarbeit
zwischen Medizin, Politik, den Aidshilfen und der Selbsthilfe und damit
zwischen allen Professionen des medizinischen Systems, den politisch
Verantwortlichen und den Aktiven im öffentlichen Gesundheitsdienst
sowie denen, um die es geht, wird damit immer größere Bedeutung
erlangen.
Dabei kommt es stets auf die Perspektive an. Dies möchte ich gern
anhand eines Beispiels verdeutlichen. Uns allen ist bewusst, dass jede
Forschung interessengeleitet ist, auch die medizinische Forschung. Dass
ein Wissenschaftler, der für die Pharmaindustrie arbeitet, ein anderes
Interesse im Blick hat als jemand, der staatlich gefördert unabhängig
forscht, liegt auf der Hand analog zu Max Webers Aussage: „Denn
praktischpolitische Stellungnahme und wissenschaftliche Analyse
politischer Gebilde und Parteistellung ist zweierlei.“ (Max Weber, 1922
„Wissenschaft als Beruf“).
Über die so genannte „Drittmittelforschung“ ist oftmals der „kritische
Blick“ verloren gegangen; sprich, die noch bis in die siebziger Jahre
des letzten Jahrhunderts Ergebnis- und Methodendiskussion findet de
facto im wissenschaftlichen Alltag nicht mehr statt. „Wissenschaftliche
Ergebnisse“ werden oftmals ohne Überprüfung auf die Richtigkeit der
gewonnen Erkenntnis(e) durch Dritte angenommen.
Mit der heutigen Tagung HIV-KONTROVERS verbindet sich auch unser
Anliegen ist, die Interessen der Menschen mit HIV und Aids wieder mehr
in den Focus der Forschung rücken zu lassen. Dies kann nur im Dialog
geschehen mit den Beteiligten aus Forschung, Industrie und Politik
sowie den Menschen mit HIV und Aids und deren Interessenvertreter.
Dazu kann HIV-KONTROVERS am heutigen Tag einen Beitrag leisten.
Wenn sich heute die Träger und die Zielgruppen der Prävention an einen
Tisch setzen, um sich dem kontroversen Dialog zu stellen und
gegenseitig zu informieren und auszutauschen, ist dies
Qualitätsentwicklung der HIV- und Aidsprävention im besten Sinne. Wenn
es uns gelänge, die kritische Reflexion und die Fortbildung zu den von
uns ausgewählten zentralen Fragestellungen zusammenzuführen und
vielleicht sogar weiterzuentwickeln, hätte sich die Fachtagung aus
meiner Sicht schon gelohnt.
In diesem Sinne Ihnen allen ein herzliches Willkommen zu HIV-KONTROVERS
und uns allen einen spannenden und erfolgreichen Austausch!
Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.