Therapeutisches Drugmonitoring: klinisch relevant oder meist überflüssig?

In diesem Themenblock wird das Für und Wider der Medikamentenspiegelmessungen diskutiert. Wann sind Spiegelmessungen überhaupt sinnvoll? Wie sollen wir auf auffällige Werte reagieren? Wie steht es um die klinische Relevanz der gemessenen Werte? Wird zu häufig oder zu selten gemessen? Ist therapeutisches Drugmonitoring (TDM) sinnvoll und notwendig, um eine ART individuell exakter anpassen oder dosieren zu können?

(Zusammenfassung der Kontroverse 6: Bernd Vielhaber)

  • Die Referenten der Kontroverse waren Dr. Christoph Wyen, Universitätsklinik Köln, und PD Dr. Nils von Hentig, HIVCENTER der Universitätsklinik Frankfurt.

  • Therapeutisches Drugmonitoring ist nicht notwendig. In den meisten Fällen ist es überflüssig. Als Argument fragt Dr. Christoph Wyen zuerst nach den Qualitätskriterien, die eine diagnostische Methode erfüllen muss, um eine Daseinsberechtigung zu haben. Die Reproduzierbarkeit der Spiegelmessungen ist ein Kriterium. Ist der Wert stabil oder stark schwankungsanfällig? Verbessert TDM die Wirksamkeit der ART? Werden mehr Menschen erfolgreich behandelt? Hilft TDM beim Nebenwirkungs-Management? Oder hilft TDM nur in speziellen Situationen (Schwangerschaft, Interaktionen)? Im weiteren Verlauf werden diese Aspekte anhand der wissenschaftlichen Datenlage beleuchtet.

    Die Reproduzierbarkeit der Spiegelmessungen war Gegenstand einer kleinen Studie, die von Nettles und Kollegen 2009 veröffentlicht worden ist. Hier wurde bei zehn Patientinnen und Patienten, die seit mindestens zwölf Monaten unter der Nachweisgrenze lagen, im Laufe von drei bis vier Monaten mehrmals pro Woche Medikamentenspiegel bestimmt. Die Gesamtzahl der jeweiligen Messpunkte lag bei 36 pro Person. Es zeigte sich, dass die individuellen Spiegel bei den einzelnen Messpunkten sehr stark voneinander abwichen, also starken Schwankungen unterliegen. Vergleicht man nun diese gemessenen Spiegel mit den minimalen und maximalen Soll-Konzentrationen, so stellt man fest, dass trotz zum Teil deutlich zu niedriger Wirkstoffspiegel die Viruslast unter der Nachweisgrenze blieb und trotz teilweise deutlich zu hoher Wirkstoffspiegel keine Therapieabbrüche oder Therapieumstellungen aufgrund von Nebenwirkungen erfolgten. Mit anderen Worten: TDM war nicht nur nicht reproduzierbar, sondern hatte gleichzeitig auch keine klinische Konsequenz. Die Autoren schlussfolgerten unter anderem, dass die Wertigkeit von TDM Einzelmessungen begrenzt ist.

    Anfänglich ist TDM eingesetzt und untersucht worden, um die Wirksamkeit der HIV-Therapie zu verbessern. Dr. Wyen zeigt einen synoptischen Überblick über kontrollierte randomisierte klinische Studien, in denen TDM eingesetzt worden ist. Nur in zwei dieser sieben Studien hatte TDM einen Nutzen. Hier wurden durch TDM mehr Patientinnen und Patienten erfolgreich antiretroviral behandelt. Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Cochrane-Metaanalyse. Weder hat TDM einen Vorteil bei der Wirksamkeit noch beim Nebenwirkungsmanagement zeigen können. Mit der einzigen Ausnahme beim Einsatz ungeboosteter PI-Regime konnte ein Vorteil durch TDM festgestellt werden. Bis auf den Einsatz von ungeboostetem Reyataz (meistens aufgrund hoher Blutfettwerte unter anderen Therapien eingesetzt), ist der Einsatz ungeboosteter PI-Regime veraltet und außerhalb der Zulassung.

    Um sich der Frage nach dem besseren Nebenwirkungsmanagement durch TDM zuzuwenden, konstruiert Dr. Wyen zwei Fallbeispiele und fragt das Publikum, welche Konsequenzen sie aus der Kombination der dargestellten Nebenwirkungen und der Wirkstoffspiegel ziehen würden. Alle würden die Therapie umstellen und nicht die Dosis anpassen. Er schlussfolgert, dass in der Behandlungsrealität aufgrund der Klagen der Patientinnen und Patienten über Nebenwirkungen eine Therapie umgestellt werden würde und zusätzlich erhobene Wirkstoffspiegel keinerlei Zusatznutzen bringen, die Klagen der Patientinnen und Patienten seien das handlungsleitende Moment.

    Aus Wyens Sicht gibt es nur Ausnahmesituationen, in denen TDM eine zielführende Information bringt: etwa am Ende der Schwangerschaft oder bei Verdacht auf Wechselwirkungen mit Ko-Medikationen (etwa in der Tuberkulosetherapie).

    Er fasst zusammen: Aufgrund hoher intraindividueller Spiegelschwankungen ist die Wertigkeit von einzelnen Spiegelmessungen fraglich. Der Nutzen von TDM beim Nebenwirkungs-Management ist limitiert. Der Nutzen von TDM ist auf wenige ausgesuchte Situationen beschränkt (Wechselwirkungen beispielsweise bei der Tuberkulose-Therapie und gleichzeitiger ART). Die Messung von Medikamentenspiegeln ergibt in den wenigsten Fällen für die Behandlung relevante und eindeutige Informationen.

    Dr. Christoph Wyen, Universitätsklinik Köln

  • HIV-Therapie ohne TDM ist wie ein Blindflug ohne Instrumente. Es ist nicht bekannt wie viel eines Medikaments in einem Patienten oder einer Patientin wirklich ankommt. In diesem Zusammenhang ist es verwunderlich, dass in klinischen Studien etwa bei PIs oder NNRTIs Raten an Therapieversagen von 10 bis 20 % akzeptiert werden, ohne dass bekannt ist und ohne dass nachgeforscht wird, warum die Therapie versagt. Dr. Nils von Hentig bezieht sich in seinem Plädoyer für TDM nicht auf die besonderen Situationen oder Gruppen von Patientinnen und Patienten, bei denen Medikamente nicht immer regelmäßig genommen werden, es bekannte und unbekannte Interaktionen gibt, dass die Dosis-Findung bei Kindern und Jugendlichen schwierig sein kann, eine Schwangerschaft die Medikamentenspiegel verändert und Ko-Morbiditäten die Pharmakokinetik und Wirksamkeit der ART beeinflussen können. TDM wird in allen internationalen Leitlinien bei Kindern, in der Schwangerschaft, bei vermuteten Adhärenzproblemen, Interaktionen und Ko-Morbiditäten, welche Leber und Nieren betreffen, empfohlen.

    Sein Fokus gilt dem „Normalkollektiv“, in dem alle mit der gleichen Dosis behandelt werden. Eine solche HIV-Therapie ohne TDM setzt aber voraus, dass immer eine gleichebleibende Dosis-Wirkungs-Beziehung existiert. Also eine gegebene Dosis in allen Menschen immer die gleiche Wirkung verursacht. Wir wissen aber, dass genau das nicht stimmt. Wir haben Therapieversagen in randomisierten kontrollierten Studien, in denen durch die Randomisierung unbekannte Einflussfaktoren in den jeweiligen Armen gleich verteilt sind. Es wird davon ausgegangen, dass eine Medikamentendosis für alle Menschen gleichermaßen passt. Auch das stimmt nicht und das wissen wir etwa aus der Therapie von Kindern.

    Wir gehen davon aus, dass Medikamente immer vergleichbar aufgenommen und verstoffwechselt werden. Als Beweis, dass das nicht stimmt, führt Dr. von Hentig eine der Studien an, die Dr. Wyen auch angeführt hat. In der von Nettles und Kollegen veröffentlichten Untersuchung konnte bei den Wirkstoffspiegeln der individuellen Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Schwankungsbreite von 30 bis 40 % pro Woche beobachtet werden. Bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieser Studie hat die Therapie über die Laufzeit der Studie funktioniert, obwohl die Medikamentenspiegel zum Teil deutlich unterhalb der erforderlichen Konzentration lagen. Wir wissen aber, dass das bei anderen Patientinnen und Patienten eben nicht lange funktioniert. Dazu kommt, dass es eine ganze Reihe Medikamente gibt, bei denen Spiegelschwankungen wesentlich schneller ungünstige Folgen haben, als bei Kaletra oder Sustiva.

    Wir gehen davon aus, dass Zulassungsstudien unter den gleichen Alltagsbedingungen durchgeführt werden, die auch auf die meisten Menschen zutreffen.

    Auch Dr. von Hentig präsentiert eine Synopse der bisherigen Studien zur Vorhersagewahrscheinlichkeit von TDM. Er weist aber darauf hin, dass die Studien sehr klein waren und vor allem, dass in diesen Studien TDM als alleiniger Parameter gedient hat, den Erfolg einer Therapie vorherzusagen.

    Neben der bereits schon von Dr. Wyen zitierten Cochrane-Analyse gibt es noch eine Reihe retrospektiver Studien zur TDM-gesteuerten Therapie, die alle einen Vorteil für die TDM-Steuerung im Vergleich zu einer Steuerung ohne TDM gesehen haben. Aus der Sicht von Dr. von Hentig hat das etwas damit zu tun, dass in diesen Studien TDM nicht als alleiniges Steuerungsinstrument eingesetzt worden ist.

    Eine Therapiesteuerung steht heute auf mehreren Füßen. Es würde nie eine Therapie gemacht werden, ohne die Messung der Helferzellen, die Bestimmung der Viruslast und eine Resistenzanalyse. TDM ist ein Instrument, was dazukommt.

    Das HIVCENTER hat ein Vorhersagemodell entwickelt, welches mit vier Parametern vorhersagen kann, mit welcher Wahrscheinlichkeit vorbehandelte Patientinnen und Patienten nach 48 Wochen auf die Therapie ansprechen. Das Modell umfasst Viruslast und Helferzellzahl zum Ausgangszeitpunkt, gewichtet vorbestehende Resistenzen und die Minimalkonzentration zum Zeitpunkt Woche vier. Unter Einbeziehung der Minimalkonzentration hat das Modell eine Vorhersagewahrscheinlichkeit von 90 %, ohne TDM von nur 70 %. Für neun von zehn Patientinnen und Patienten kann also nach vier Wochen vorhergesagt werden, ob sie nach 48 Wochen auf die Therapie ansprechen oder nicht.

    In Frankfurt sind über Jahre pharmakokinetische Profile untersucht worden, um herauszufinden, ob es weitere oder andere Parameter gibt, als die allgemein gemessene Cmin (minimale Konzentration im Dosisintervall). Dabei konnte gut belegt werden, dass die Cmin ein ausreichender Parameter ist. Allerdings muss die Probe standardisiert erfolgen: Der Patient oder die Patientin muss drei oder vier Tage vor der Messung die Medikamente im festen Dosisintervall zu denselben Zeiten einnehmen und dann muss die Blutabnahme zu einem Zeitpunkt erfolgen, der kurz vor der nächsten Medikamenteneinnahme liegt. Die Werte standardisiert zu erheben ist insofern wichtig, da sie sich ansonsten nicht vergleichen lassen. Reale Schwankungen können sonst nicht von Schwankungen, die durch Verschiebungen im Einnahmeintervall entstehen, unterschieden werden (eins der Probleme in der Nettles-Studie, in der eben nicht standardisiert gemessen worden ist).

    Wir kennen die notwendigen Konzentrationen der jeweiligen Medikamente, die erreicht werden müssen, um das Virus an der Vermehrung zu hindern genau, sowohl aus Laborstudien aber auch aus Studien am Menschen. Diese Hemmkonzentrationen müssen oder sollten in der HIV-Therapie zu jedem Zeitpunkt (deutlich) überschritten werden. Wichtig ist, bei in allen Leitlinien stehenden Hemmkonzentrationen im Hinterkopf zu behalten, dass diese nur für nicht vortherapierte Patientinnen und Patienten ohne (vorher) existierende Medikamentenresistenzen gelten. Bei vorexistierenden oder erworbenen Resistenzen gibt es keine vergleichbaren Zielkonzentrationen.

    Niedrige Spiegel haben Menschen mit einem Body-Mass-Index über 30, Menschen mit einem Gewicht von mehr als 100 kg, Menschen, die ihre Tabletten zerkleinern, Kinder unter 12 Jahre und schwangere Frauen.

    Hohe Spiegel haben Menschen mit einem Body-Mass-Index von unter 20, Menschen mit einem Gewicht unter 50 kg, Patientinnen und Patienten über 60 Jahre, Hepatitis-Ko-Infizierte und Menschen mit Leberinsuffizienz.

    In Frankfurt haben TDM-Messungen dahin gehend klinische Konsequenzen, dass man versuchen würde, durch eine Dosisanpassung sich den Zielwerten anzunähern.

    Zusammenfassend: Die Schwankungsbreite der Medikamentenspiegel ist größer als in den Zulassungsstudien. Medikamentenspiegel sind vor allem assoziiert mit Körpergewicht und Größe beziehungsweise Verteilungsvolumen. Es existieren keine Empfehlungen für vorbehandelte Patientinnen und Patienten. Faustregel: Cmin sollte deutlich über der empfohlenen liegen. Die Cmin ist der wichtigste Parameter und einfach zu messen. TDM ist in der Praxis leicht umsetzbar. Die Messung kann in der Praxis über die normale Laborziffer für Plasmaspiegelbestimmungen, wenn indiziert (bis zu drei Messpunkte pro Tag), abgerechnet werden Die Ergebnisse werden von den Labors bewertet, wenn nicht dann muss ein Pharmakologe oder eine Pharmakologin befragt werden.

    PD Dr. Nils von Hentig, HIVCENTER der Universitätsklinik Frankfurt

  • Holger Wicht eröffnet die erste Diskussionrunde mit der Frage an Dr. Wyen, ob das alles nur Ausnahmefälle gewesen sind.

    Aus seiner Sicht sind es in der Tat Ausnahmesituationen, die nicht den klinischen Alltag widerspiegeln. Er wirft zudem die wichtige Frage auf, wie denn Dosisanpassungen konkret vonstatten gegen sollen. Würde man Tabletten teilen, um die Dosis anzupassen? Nur bei einem Teil der HIV-Medikamente hat man aufgrund der sich im Handel befindenden Stärken überhaupt eine realistische Möglichkeit, die Dosis anzupassen.

    Solange die Viruslast unter der Nachweisgrenze ist, würde Dr. Wyen (trotz zu niedriger Spiegel) keine Therapieumstellung durchführen, bestenfalls die Kontrollintervalle für die Viruslast verkürzen.

    Dr. von Hentig gibt zu, dass es mit den modernen Therapien (möglichst wenig Tabletten = hohe Wirkstoffmenge/Tablette, FTC) immer schwieriger wird, die Dosis individuell anzupassen. Hier muss dann oft die ganze Therapie gewechselt werden. Bei Nebenwirkungen ist TDM sicherlich nicht der entscheidende Parameter. Aber bei fortgesetzt zu niedrigen Spiegeln ist TDM ein wesentlicher Faktor. Wobei dann die Frage nicht aus den Augen verloren werden darf, warum Patientinnen und Patienten diese niedrigen Spiegel haben. Dann wird mit den Patientinnen und Patienten über Therapietreue, Malabsorption und dergleichen diskutiert. Und die Ursache herauszufinden ist für Patientinnen und Patienten für die nächsten (dreißig) Jahre entscheidend, weil sich das auch auf die Medikamente auswirkt und auswirken könnte, die sie in Zukunft nehmen.

    Auf Nachfrage, wann denn TDM einzusetzen sei, verweist von Hentig auf den entsprechenden Appendix der Deutsch/Österreichischen Therapieleitlinien. Heute wird TDM nicht mehr routinemäßig bei Therapiebeginn empfohlen, sondern in definierten Situationen und bei besonderen Gruppen von Patientinnen und Patienten.

    Dr. Wyen ist der Überzeugung, dass TDM nur bei ungeboostetem PI-Einsatz Sinn macht und bei modernen Therapien überflüssig ist. Auch die Frage nach Wechselwirkungen wird aus seiner Sicht anhand klinischer Beobachtungen entschieden, nicht aufgrund von Spiegeln. Seiner Meinung nach benötigt auch ein 150 kg schwerer Mann, der auf geboostetes Prezista plus Truvada eingestellt wird, kein TDM, obwohl dieser zu den von PD Dr. Nils von Hentig definierten besonderen Gruppen von Patientinnen und Patienten (hohes Gewicht) zählt.
    Aus dem Publikum wird darauf hingewiesen, dass, obwohl Dr. Wyen klinische Konsequenzen aufgrund von TDM verneint hat, er aber Untersuchungsintervalle der Viruslastmessungen verkürze, was ja dann doch eine klinische Konsequenz wäre.

    Dr. von Hentig greift einen Aspekt des Publikumsbeitrages auf und weist darauf hin, dass eine ganze Reihe der heute bekannten Wechselwirkungen (insbesondere auch mit illegalisierten Drogen) eben nicht aus entsprechenden Studien stammen, sondern aus dem TDM.

    Ein weiterer Beitrag aus dem Publikum weist darauf hin, dass die Diskussion um TDM eigentlich Dinge auf den Kopf stellt. TDM richtet keinen Schaden an, also, warum sollte ich es nicht machen. Aber das ist natürlich ein absurdes Argument - eigentlich müsste der Test seinen Nutzen, seinen zusätzlich Nutzen zu klinischen Beobachtungen unter Beweis stellen.

    Eine weitere Wortmeldung greift diesen Aspekt auf und geht davon aus, dass auch in Köln routinemäßig die Helferzellen bestimmt werden. Warum auch nicht, denn das machen wir ja schon so lange. Es wird in die Runde gefragt: „Stellen Sie sich vor, Sie können nach einem Jahr der HIV-Therapie nur noch zwei von drei Tests durchführen: Viruslast, TDM oder Helferzellen. Welche beiden Tests behalten Sie bei?“

    „Wir gehen mit dem Helferzelltest genauso um, wie mit dem TDM.“ Beide Werte haben keine klinischen Konsequenzen. „Ist die Viruslast unter der Nachweisgrenze, ist alles gut.“ „Wie häufig entscheiden wir aufgrund der Helferzellenzahl bei behandelten Patientinnen und Patienten die Therapie anzugleichen, anzupassen, zu erhöhen, zu verändern, wie auch immer ... und wie häufig tun wir das bei TDMs? Ich glaube, da akzentuiert sich dann das Problem. Denn es gibt auch Tests, wie die Bestimmung der Helferzellen, die wir häufig durchführen, wo wir sie uns eigentlich sparen könnten.“

    Dr. von Hentig verteidigt TDM und erklärt, dass der von ihm auch zugegebene Mangel an Nachweisen eines Nutzens in erster Linie darauf zurückzuführen sei, dass eben nicht routinemäßig und standardisiert getestet werde und es insgesamt zu wenig Studien gebe. TDM wird aus seiner Sicht nie ein alleiniger Parameter sein können, sondern in der Therapiekontrolle immer nur ein Baustein sein. Er bemängelt, dass die intraindividuelle Schwankungsbreite bislang nicht etwa als Variationskoeffizient in die Modelle oder die Behandlung einbezogen worden ist.

    Von Hentig führt ein weiteres Argument führ TDM ein. Seiner Auffassung nach „dient TDM sehr gut der Motivation der Patienten“. Die Spiegel spielen in der Kommunikation mit seinen Patientinnen und Patienten zu Therapietreue eine wichtige Rolle. Die Spiegel dienen sozusagen gleichermaßen als Feedback für beide.

    Aus der Sicht von Dr. Wyen ist der Einsatz von TDM im Zusammenhang mit Therapietreue ausgesprochen kritisch zu bewerten. Sowohl als Motivationsinstrument als auch als Kontrollinstrument würde es eher darauf hinweisen, dass die Beziehung zwischen Arzt oder Ärztin und Patientin oder Patient nicht richtig funktioniere.

  • Dr. Nils von Hentig erklärt in der Schlussrunde, es gebe Veränderungsbedarf, es müsse nicht jeder gemessen werden, es müsse gezielt gemessen werden. Und wenn gemessen wird, muss nach einem gemeinsam definierten Standard gemessen werden. Er wünscht sich mehr Studien, die TDM nicht als einzigen Parameter untersuchen, sondern TDM gegen andere Einflussfaktoren gewichtet.

    Dr. Christoph Wyen bemängelt, dass es nach wie vor keinen klar definierten Standard gebe. Weder die zu erhebenden Werte, noch die Standardisierung der Abnahme, geschweige denn die Interpretation sind klar und eindeutig festgelegt. Aus seiner Sicht hätte, lägen exakte, definierte Leitlinien vor, TDM einen Stellenwert, wenngleich nicht im klinischen Alltag.

    Von Hentig ergänzt, dass der Appendix zu den Deutsch/Österreichischen Therapieempfehlungen international die erste TDM-Leitlinie sei, die genau das gemacht habe.